Energieversorgung ist ein Thema, das allen Sorgen bereitet: in privaten Haushalten, in Wirtschaftsunternehmen – und auch in einer Einrichtung wie dem Marienhospital Stuttgart. In Teilen kann Johann Marx, Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling, Entwarnung geben. „Aufgrund der Mengen, die wir verbrauchen, decken wir uns langfristig mit Energie ein und sind nicht auf Tagespreise angewiesen.“ Das Gas zumindest ist vorerst gesichert, da das Marienhospital langfristige Rahmenverträge mit seinen Lieferanten hat, die bis ins Jahr 2024 reichen.
„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“
„Allerdings müssen wir schauen: Was kostet das Gas, das wir in zwei Jahren nutzen wollen, heute?“, sagt Marx. Dazu müsse man die Energiebörsen beobachten, wo man Gasmengen mit Terminkontrakten einkaufe – und dabei feststellen, dass sich der Preis im Vergleich zu dem, was man bereits für 2023 gesichert hat, inzwischen mehr als verfünffacht hat. Das bedeutet künftig immense Mehrkosten, denn in Energiemaßeinheiten gesprochen: Rund 54.000 Megawattstunden verbraucht das Marienhospital im Jahr – eine Menge, mit der 3.700 Vierpersonenhaushalte auskommen.
Dabei ist das Haus eigentlich gut aufgestellt. Was die Versorgung mit Wärme angeht, auf drei Beinen: mit zwei Gaskesseln, einem Ölkessel sowie einem Blockheizkraftwerk. Wie das alles zusammenhängt und funktioniert, kann am besten Joachim Pongratz erklären. Dazu muss man allerdings gut zu Fuß sein, denn auch wenn einem der Leiter Technik im Marienhospital nur die wichtigsten Schaltstellen im Haus zeigt, ist man stundenlang unterwegs. Das Reich des gelernten Elektrotechnikers ist weitläufig: Es erstreckt sich von den Büroräumen gegenüber dem Hauptgebäude runter in den Keller mit den Gas- und Ölkesseln sowie dem Blockheizkraftwerk, vorbei an der Schlosserei, durch einen Tunnel auf die andere Straßenseite zur Abluftzentrale, weiter hoch zum „Elektroherzstück“ bis ganz hinauf zu den Kühltürmen beim Hubschrauberlandeplatz.
Gas liefert den Grundstock für die Energieversorgung
Grundsätzlich wird im Marienhospital mit Gas geheizt beziehungsweise mit damit erzeugtem heißem Dampf. Im Gaskesselhaus stehen zwei riesige Gas- und als Back-up im Nebengebäude ein großer Ölkessel. Weiterhin befindet sich im Gaskesselhaus das Blockheizkraftwerk, mit dem Strom, Dampf und heißes Wasser produziert werden. Mit dem ca. 90 Grad heißen Wasser aus dem Blockheizkraftwerk wird kaltes Wasser gemacht. „Klingt absurd, aber funktioniert“, sagt der Leiter Technik, denn in einem komplizierten chemischen Prozess wird mit einer Absorptionskältemaschine das Wasser gekühlt.
Heizen und kühlen – diese Temperaturregulierung läuft im Hauptgebäude auf der untersten Stockwerksebene. Zwei Lüftungsanlagen versorgen das Hauptgebäude. Dort sind je vier große Zuluft- und acht Abluftventilatoren verbaut. Über drei große Wärmeräder je Lüftungsanlage strömen Zu- und Abluft. Über jene werden je nach Bedarf Wärme und Kälte wieder der Zuluft zugeführt. Im Gegensatz zu einem geschlossenen System kann auch die Energie aus der feuchten Abluft genutzt werden. Jede der Lüftungsanlagen wälzt in der Stunde 270.000 Kubikmeter Luft um. „Das ist schon ganz ordentlich“, sagt Pongratz. Zur Verdeutlichung der Dimensionen: Durch die zwei großen Lüftungskanäle der Anlagen könnte man mit einem Lkw durchfahren.
Besonders energiesparend ist auch die neue Warmwasseraufbereitung im Marienhospital. Hatte man früher riesige Tanks als Warmwasserspeicher, genügen heute vier kleine Durchlauferhitzer. Inzwischen wird eben nur das Wasser heiß gemacht, das man direkt braucht, anstatt es tagelang vorzuhalten. Die Kaltwasseraufbereitung ist auch ein spezielles Thema. Mittels Wärmetausch im Kältenetz hat man sich im Marienhospital ein besonderes System für sauberes Kühlwasser einfallen lassen, mit dem empfindliche medizinische Geräte versorgt werden.
Überwachung mittels Gebäudeleittechnik
Alle Anlagen im Haus werden von einer Gebäudeleittechnik überwacht. Kommt es irgendwo zu einer Störung, wird die betreffende Stelle sofort gemeldet – erkennbar auf jedem Laptop oder PC-Arbeitsplatz, der mit dem System verbunden ist. Das gilt auch, wenn in den elektrischen Schaltzentralen unangekündigt eine Tür aufgeht. Denn hier stehen einige Bereiche ziemlich unter Strom. 10.000 Volt werden von Netze Stuttgart eingespeist, die in großen Trafozellen in 400 Volt umgewandelt werden.
Fünf verschiedene Netze laufen im Haus – eines davon extra für die IT. Diese können sich immer gegenseitig absichern und vertreten. Und wenn es zu einem generellen Stromausfall im Stadtviertel kommen sollte, stehen fünf dieselbetriebene Notstromaggregate bereit. „Vorgeschrieben ist, dass der Diesel dann in 15 Sekunden am Netz sein muss. Wir schaffen es in sechs, sieben Sekunden“, sagt Joachim Pongratz. Jedes Aggregat läuft einmal im Monat für eine Stunde in einer Notstromprobe und ist ansonsten im vorgeheizten Zustand immer im Stand-by-Modus. Und weil insbesondere in den OP-Sälen und auf der Intensivstation im Ernstfall keine einzige Sekunde etwas ausfallen darf, gibt es noch Räume mit Reihen riesiger Batterien.
Energieversorgung ist ein sensibles Thema
Nicht nur wer die gigantischen Anlagen im Haus gesehen hat, kann sich vorstellen, was für ein sensibles Thema die Energieversorgung im Marienhospital ist. „Wir können nun mal keine Windräder aufs Dach stellen“, sagt der Technikleiter Joachim Pongratz. Der Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling Johann Marx berichtet, dass man schon über verschiedenste Optionen nachgedacht habe. „Mit unseren Dachflächen und Photovoltaik kämen wir aber nur auf eine Bedarfsdeckung von vielleicht 10 Prozent.“ Für eine Nutzung der Geothermie müsste man bis zu 80 Erdbohrungen auf dem Gelände machen, das nicht groß genug dafür ist. Und für Heizen mit Holzpellets bräuchte man 500 Lkw-Ladungen im Jahr.
Also? „Am Ende muss jeder Einzelne seinen Anteil zum Energiesparen beitragen. Nur so kommen wir als Gemeinschaft durch diese schweren Zeiten“, sagt Johann Marx. Das gilt eben nicht nur für private Haushalte und Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für eine Einrichtung wie das Marienhospital. Zwar gibt es laut Joachim Pongratz noch einige größere Stellschrauben, an denen man drehen könnte. Zum Beispiel gebe es viel Dauerbeleuchtung im Haus. Da könne man schauen, wo man mit Bewegungsmeldern arbeiten kann. Aber auch der Technikleiter appelliert an die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden, und seien es nur vermeintliche Selbstverständlichkeiten wie „abends Computer runterfahren, Heizung runterdrehen.“ Und im Sommer Verzicht auf Klimageräte, die wahre Stromfresser sind. Johann Marx jedenfalls geht mit gutem Beispiel voran und verzichtete auch in diesem heißen Sommer darauf – bei gut 30 Grad in seinem Büro.