Bluthochdruck ist weit verbreitet. „In 80 bis 90 Prozent aller Fälle weiß man nicht genau, woher er kommt. Da spricht man von essenziellem Bluthochdruck“, sagt Professor Dr. Michael Schäffer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Marienhospital Stuttgart. Gesund leben, Stress abbauen, wenig Alkohol – mit einigen Faktoren kann man zwar entgegenwirken. Aber oft muss ein Blutdrucksenker eingesetzt werden.
Jahrelang unter verschiedenen Begleiterscheinungen gelitten
Bei Sonja Raub, 48, hat auch das nicht geholfen. Viele Jahre lang litt sie unter zu hohem Blutdruck. Richtig registriert habe das die Grund- und Hauptschullehrerin erst, als beim Blutspenden gemessen wurde: 150/90. „Ich bin gleich zu meinem Hausarzt, der meinte damals: ‚Jetzt messen Sie die nächsten vier Wochen mal regelmäßig, dann schauen wir weiter‘ “, erzählt sie. Weil die Werte konstant hochblieben, wurden ihr Mittel zur Senkung des Blutdrucks verschrieben – eines nach dem anderen. „Aber mir ging es nicht besser. Ich hatte immer wieder starke Kopfschmerzen, litt unter Antriebslosigkeit und Unkonzentriertheit, und ein Präparat hat auch Wassereinlagerungen verursacht“, berichtet Sonja Raub. Und: der Blutdruck ließ sich einfach nicht richtig einstellen.
Im Blutbild nach den Hormonen schauen
„Da hätte es eigentlich schon klingeln müssen“, sagt Professor Schäffer. „Bei so einer Patientin, die nicht wirklich ins Raster passt, hätte man mal schauen können, ob es sich wirklich um einen essenziellen Bluthochdruck handelt.“ Sonja Raubs Hausarzt hatte sich allerdings mit der Erklärung abgefunden, dass ihre Eltern auch hohen Blutdruck haben, dass somit die familiäre Indikation gegeben sei. Also wechselte sie irgendwann frustriert den Arzt. „Der neue hatte sich schon öfters mit diesem Thema beschäftigt, hat das Blutbild gezielter untersucht und mich letztlich an die Chirurgie überwiesen“, erzählt sie.
Professor Schäffer erklärt: „In so einem Fall ist es ratsam, bei der Blutuntersuchung nach den Hormonen zu schauen und nicht nur an die 20, 30 Werte zu denken, die man routinemäßig abfragt.“ Sonja Raub jedenfalls ist mit der neuen Erkenntnis ins Marienhospital gekommen, dass ihr Aldosteronwert zu hoch ist. Beim Aldosteron handelt es sich um eines der Hormone, die in der Nebenniere gebildet werden und für Blutdruck und Nierenfunktion wichtig sind. Professor Schäffer veranschaulicht das sogenannte Conn-Syndrom, unter dem seine Patientin litt, mit einem Bild: „Es gibt viele Hormone, die auf den Blutdruck einwirken. Das ist wie in einem Orchester: Wenn der Trompeter außer Rand und Band ist und immer Vollgas reinbläst, dann kommt auf Dauer die Harmonie durcheinander.“
Ursache war ein Nebennierentumor
Bei Sonja Raub war ein kleiner Tumor in der Nebenniere dafür verantwortlich, den man mit einer Kernspintomografie schnell entdeckte. Professor Schäffer: „An dieser Stelle handelt es sich fast immer um einen gutartigen Tumor. Der streut nicht, wächst aber“. Das wuchernde Gewebe führte dazu, dass unkontrolliert Aldosteron produziert wurde. In einer zweistündigen Operation hat der Chefarzt den ca. zwei Zentimeter großen Tumor minimalinvasiv entfernt. Bei Sonja Raub ist nur eine winzige Narbe zurückgeblieben. Und der Blutdruck hat sich nach einigen Wochen auf ideale 120:80 gesenkt.
Lange Leidensgeschichte konnte vermieden werden
„Das hätte auch eine endlose Leidensgeschichte werden können. Hoher Blutdruck über eine lange Zeit erhöht signifikant das Risiko für Nierenschäden, Schlaganfall, Herzinfarkt“, mahnt Professor Dr. Michael Schäffer. Sonja Raubs Geschichte ist ein spezieller Fall. Dennoch hat er gezeigt, wie wichtig es manchmal ist, die entsprechenden Werte abzufragen. Viele Patienten müssen zwar mit einem essenziellen Bluthochdruck leben. Aber der Ärztliche Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie berichtet auch von anderen Ursachen: Erkrankungen in der Nebenniere, bei denen zu viel Cortison oder Adrenalin produziert wird, oder eine Nierenarterienstenose gehören ebenso dazu.
Wissenswertes zur Klinik
Die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie ist mit 81 Betten eine der größten Kliniken im Marienhospital Stuttgart. Im Jahr werden dort rund 3.000 Patienten stationär und 7.000 ambulant behandelt, von der Blinddarm-OP bis zur Krebschirurgie. Mit modernsten Operationsmethoden erfolgt die Hälfte aller Eingriffe minimalinvasiv, also besonders schonend mithilfe der Schlüssellochchirurgie.