Schwester Paulissa kann mit ihren 83 Jahren über ihre lange Zeit in der Inneren Ambulanz wunderbar erzählen. Über die strengen und kräfteraubenden Arbeitsbedingungen. Über den Mangel an medizinischer Ausrüstung in ihrer Anfangszeit. „Um alles musste gebettelt werden. Und wenn man es dann bekam, musste es wieder und wieder verwendet werden.“
Bereits in den 1960-er Jahren mangelte es an Pflegefachkräften
Samstags wie sonntags, erinnert sie sich, musste sie als Schwesternschülerin die defekten Gummihandschuhe „wie Fahrradschläuche reparieren“. Und die Spritzen wurden zigmal benutzt, natürlich gesäubert und sterilisiert. Wenn eine am Boden zerbrach, folgte unweigerlich die Rüge. Doch Schwester Paulissa winkt ab. „Das hab’ ich immer auf mich genommen. Mehr als wegschicken hätten sie mich ja nicht können.“
Doch Wegschicken war keine Option, denn schon damals fehlte es an Pflegekräften. Und die Ordensschwestern mit ihren Arbeitszeiten von 6 Uhr in der Früh bis abends um 22 Uhr fuhren dazu ja noch doppelte Schichten. Oft kamen dann noch Nachtschichten hinzu. „Da bin ich dann schon mal beim Rosenkranzbeten oder beim Schreiben eines EKGs eingeschlafen“, gesteht die Ordensschwester mit den lebendigen dunklen Augen.
Auch im oft harten Alltag gern zu Scherzen aufgelegt
Schwester Paulissa lacht herzlich, wenn ihr einer ihrer unter Mitschwestern und Ärzten berüchtigten Scherze einfällt. Etwa als die Pflegeschwestern getadelt wurden, weil sie zu viel von der EKG-Paste verbraucht hätten, die zum Anbringen der Elektroden benötigt wird. „Die Männer waren eben eitel und wollten sich nicht die Brust rasieren lassen. Da brauchte es dann halt mehr von der Paste“, erklärt sie. Ein Zeitungsinserat für Brusthaartoupets brachte sie auf eine Idee. Forsch sei sie auf den Einkaufsleiter, der stets streng zum Sparen gemahnt hatte, zugegangen. Auf der Intensivstation seien einem Mann die Brusthaare rasiert worden. Leider sei zu spät festgestellt worden, dass er ein Brusthaartoupet gehabt hätte. Und das habe jetzt einen Haftpflichtfall verursacht. „Der Mann vom Einkauf hat das dann überall herumerzählt: So einfältig kann doch nur eine Ordensschwester sein. Von da an wurden wir nie wieder wegen der EKG-Paste gerügt“, lacht Schwester Paulissa.
Corona bereitete ihrer noch im höheren Alter ausgeführten Tätigkeit ein Ende
Geboren ist Schwester Paulissa 1939 in Mulfingen im Kreis Künzelsau der Region Hohenlohe. Die Familie mit sieben Kindern besaß einen Bauernhof. Schon früh war Irma Hirschlein, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, mit Ordensschwestern in Kontakt. Die hatten im Dorf den Kindergarten geführt, unterrichteten in der Schule und waren in der Josefspflege tätig, einem Heim für schwer erziehbare Kinder. „Von klein auf mussten wir den Schwestern helfen, zum Beispiel Holz holen, putzen, kehren, Wasser tragen – es gab ja noch keine Wasserleitung“, erinnert sie sich.
Mit 21 Jahren entschied sie sich für ein Leben im Orden der Vinzentinerinnen. „Eingetreten bin ich 1960. 1961 war meine Einkleidung, am 1. Mai 1962 die Profess, und am 3. Mai bin ich nach Stuttgart gekommen. Seither bin ich hier im Haus“, resümiert sie. Ihren Ordensnamen Paulissa erhielt sie auch im Angedenken an ihren Bruder Paul, der kurz vor ihrem Eintritt ins Kloster tödlich verunglückte.
Im Marienhospital machte Schwester Paulissa ihre Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete in der Inneren Ambulanz bis 2020. „Anfangs waren wir zu dritt: eine 80-jährige und eine 70-jährige Schwester und ich.“ Fast ein wenig wehmütig erzählt sie: „Seit Corona bin ich dort aber nicht mehr tätig. Vorher habe ich vormittags bei Frau Professor Kellerer in der Sprechstunde immer noch Blut abgenommen.“