Eigentlich war Klaus Neumann, 53, ins Marienhospital Stuttgart gekommen, um sich einen Gallenstein entfernen zu lassen. Den hatte sein Hausarzt auf einem Ultraschall entdeckt. Da er aber seit Jahren schon Schluckbeschwerden hatte, teilte er dies bei der Aufnahme mit.
Eine bedrückende Diagnose
Damit es nicht zu Komplikationen bei der Narkose kommt, wurde das sicherheitshalber abgeklärt. Eine Magenspiegelung ergab dann die bedrückende Diagnose: Klaus Neumann hat ein Ösophaguskarzinom, Speiseröhrenkrebs also, und zwar in einem so fortgeschrittenen Stadium, dass von einer Operation abgesehen wurde.
Professor Dr. Thomas Hehr, Ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Palliativmedizin, sagt: „Anders als etwa bei Brust- oder Prostatakrebs sieht unser Gesundheitssystem keine routinemäßige Vorsorgeuntersuchung für Speiseröhrenkrebs vor.“ Nach der für ihn schockierenden Diagnose hatte Klaus Neumann verständlicherweise viele Fragen und stand im Dialog mit Professor Hehr. Im Zuge dessen kam die Sprache auf eine aktuelle Studie zum Ösophaguskarzinom im Marienhospital. Konkret: eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie der Phase III mit Patienten, die gleichzeitig eine alleinige (definitive) Radiochemotherapie erhalten. Klaus Neumann wurde dazu eingehend beraten – und hat sich dann entschieden, daran teilzunehmen.
Engmaschige Betreuung und komplette Kostenübernahme
Professor Hehr erklärt, dass es sich nicht um eine Studie handelt, bei der man bei Null anfängt. Das zu testende Medikament Pembrolizumab sei bei anderen Krebsarten schon ausreichend erprobt. Bei Patienten mit einem Ösophaguskarzinom würden nun Standardtherapien mit einer Erweiterung ergänzt. Deren Wirkprinzip und Nebenwirkungen kenne man, aber nicht in der Kombination mit Strahlen- und Chemotherapie. In der weltweiten Studie bekommt eine Gruppe das Medikament, die andere ein Placebo. Jeder Patient aber profitiert von der engmaschigen Betreuung und der kompletten Kostenübernahme. „Es wird alles für einen erledigt. Man hat keine Rennerei mehr wegen Überweisungen und Untersuchungen“, sagt Klaus Neumann.
Allerdings ist es in seinem Fall nach einem knappen halben Jahr zu neuen Metastasen gekommen. Deshalb wurde er „entblindet“ – mit der Erkenntnis, dass er ein Placebo-Patient war. „Er ist aber deswegen nicht aus der Studie herausgefallen“, sagt Professor Hehr. „Es ist nur die Behandlung innerhalb der Studie beendet, die Nachbeobachtung aber läuft weiter. Erst dann kann man die eine Gruppe mit der anderen vergleichen.“ Schließlich dauert der aktive Teil der Studie über ein Jahr.
Weiterhin bestmöglich behandeln
Und selbstverständlich wird Klaus Neumann weiterhin so gut wie möglich versorgt. „Das Marienhospital ist in der Lage, Therapiekomplikationen zu erkennen und dann richtig zu handeln“, sagt Professor Dr. Thomas Hehr. „Auch anhand solcher Studien lernen wir, welche molekularen Marker Sinn ergeben. In diesem Fall war es eine zielgerichtete Herceptin-Therapie. Das ist ein Zugewinn unseres Kompetenzzentrums, weil man hier weiß, welche anderen Therapiemöglichkeiten es drumherum noch gibt.“
Klaus Neumann geht es nach einer „Achterbahnfahrt“ – auch durch die Nebenwirkungen von Strahlen- und Chemotherapie – den Umständen entsprechend gut. Derzeit hat er nur noch einen kleinen Resttumor und kann inzwischen wieder festere Nahrung zu sich nehmen. Sein Beweggrund für die Teilnahme an der Studie war, wie bei eigentlich allen Krebspatienten, die Frage: „Wie komme ich hier raus aus der Geschichte?“. Dennoch hofft er, dass das Ganze vielleicht ja dem Nächsten etwas bringt. Professor Hehr weist darauf hin, dass diese Studie keine Therapie sei, die nach vielen anderen komme, sondern schon mit der Erstdiagnose beginne. Oberstes Ziel ist, die Prognose zu verbessern. Dabei steht für ihn immer eines im Vordergrund: „Wir behandeln Menschen und nicht die Tumorerkrankung.“
STUDIENZENTRUM IM MARIENHOSPITAL STUTTGART
Rund zwanzig klinische Studien laufen derzeit am Marienhospital. Für die fachliche Betreuung und Durchführung sind die einzelnen Fachkliniken zuständig. Das Studienzentrum unterstützt die Rekrutierung und die organisatorische Durchführung. In die Studie zum Ösophaguskarzinom können noch bis Ende des Jahres 2022 Patienten aufgenommen werden.
Kontakt: 0711 6489-3276
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