Beim Schlagwort palliativ denken viele gleich an das Ende. „Aber im Unterschied zum Hospiz mit Therapiebeschränkung können wir alle Möglichkeiten eines Krankenhauses einsetzen, wenn es für den Patienten sinnvoll ist“, erklärt Dr. Martin Zoz. „Nur etwa die Hälfte der Patienten stirbt auf der Palliativstation, die andere Hälfte kann auch wieder nach Hause gehen und dort die entsprechende Therapie fortführen.“
Eine der ersten Palliativstationen Deutschlands
Der Hämatologe, Onkologe und Palliativmediziner ist seit acht Jahren leitender Oberarzt der Palliativmedizin im Marienhospital Stuttgart. Die erste Palliativstation wurde 1992 von Dr. Elisabeth Bürger gegründet. Die Gründung fand im Rahmen eines bundesweiten Modellversuchs statt mit insgesamt zwölf Einrichtungen in Deutschland und der damals einzigen in Baden-Württemberg.
Heute gibt es deutschlandweit rund 340 Palliativstationen. Im Marienhospital ist sie mittlerweile auf zwei ineinander übergehende Stationen mit zusammen 20 Betten angewachsen und zählt zu den größten. „So, wie wir hier pflegen können, würde man es sich überall wünschen“, sagt Dr. Martin Zoz. Die Krankenkassen übernehmen als Kostenträger zwar nur die Grundversorgung, aber seit der Gründung des Palliativvereins im Jahr 1994 können weitere Mittel bereitgestellt werden. „Im Jahr bekommen wir etwa 250.000 Euro zusammen, mit denen wir zusätzliches Personal, aber auch neue Therapieformen wie Musik- und Kunsttherapie oder auch besondere Anschaffungen finanzieren können“, sagt Christoph Stöcker. Der Geschäftsbereichsleiter Allgemeine Verwaltung im Marienhospital ist Vorstand des Palliativvereins.
Über die Grundversorgung hinaus Gutes tun
700 Mitglieder unterstützen den Verein mit einem festen Jahresbeitrag. Hinzu kommen Spendenaktionen und Benefizveranstaltungen. Grundsätzlich aber muss Stöcker immer wieder feststellen: „Sterben ist ein Tabuthema, das nicht so öffentlichkeitswirksam ist.“ Umso dankbarer ist man, dass sich der populäre Schauspieler Walter Sittler regelmäßig in der Marienhospital-Veranstaltungsreihe „Für die letzten Dinge sorgen“ einbringt.
Natürlich ist der Tod präsent und sichtbar auf den Palliativstationen. Nicht nur durch die beiden Kerzen, die bei jedem Todesfall leuchten, aber: „Es gibt hier auch schöne Momente, und man kann auch mal lachen“, sagt die Pflegedienstleiterin Martina Elser. Viele Pflegekräfte würden gezielt auf die Palliativstation kommen, „weil sie trotz der Belastungen die Arbeit als wertvoll und sinnstiftend empfinden“. Andererseits tue sich gerade die jüngere Generation schwer, sich mit existenziellen Fragen auseinanderzusetzen.
Sich ehrenamtlich in der Betreuung Schwerstkranker engagieren
Dennoch kann Susanne Lutz vermelden: „Wir werden jünger!“ Als Bildungsreferentin im Haus ist sie auch für die Betreuung von inzwischen 150 Ehrenamtlichen zuständig. Davon zählen nahezu 40 Frauen und Männer zu den sogenannten Sitzwachen, eine verantwortungsvolle Aufgabe, auf die in einem neunmonatigen Kurs vorbereitet wird. Und, so die Botschaft: „Im vergangenen Kurs hatten wir Teilnehmer im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte sechzig.“
Viele der Ehrenamtlichen sind noch berufstätig. Im Wechsel und so gut es die Lebensumstände eben zulassen sind sie als Sitzwachen bei Patienten im Einsatz, die schwer krank sind. „Manche wünschen sich eine Begleitung nur nachts, manche aber auch tagsüber“, berichtet Susanne Lutz, sodass mitunter auf den verschiedenen Stationen mehrere Sitzwachen zeitgleich im Einsatz sind.
Den komplexen Anforderungen interdisziplinär begegnen
Dr. Martin Zoz sagt, dass mit dem demografischen Wandel das soziale Umfeld geringer werde. „Wir haben viele Alleinstehende, die wir nicht nach Hause schicken können. Für manche gibt es einfach keine andere Lösung, als hier zu bleiben.“ Zumal es laut Martina Elser nur wenige Pflegeheime mit Palliativstationen gibt, weil die Symptomlast meist sehr komplex sei. Im Marienhospital aber kümmert sich ein interdisziplinäres Team mit 30 Mitarbeitenden um die Schwerkranken. „Das ist schon eine besondere Teamarbeit“, sagt Dr. Martin Zoz. „Wir machen nicht nur jeden Tag Visite, sondern besprechen uns auch einmal die Woche mit der Physiotherapie, Psychoonkologie, Seelsorge, Kunst- und Musiktherapie und natürlich mit der Pflege.“ Auf den Palliativstationen des Marienhospitals geht es eben nicht nur um rein medizinische Themen wie Chemo-, Strahlen- oder Schmerztherapie, sondern um alles, das hilft, die Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten.
KONTAKT für UNTERSTÜTZER
Interessierte, die sich gerne als Sitzwachen engagieren möchten, können Kontakt mit Susanne Lutz aufnehmen unter der Mailadresse susanne.lutz@vinzenz.de oder unter der Rufnummer 0711 6489-3359.
Neue Mitglieder im Palliativverein sind ebenfalls jederzeit willkommen. Kontakt unter palliativverein@vinzenz.de oder Telefon 0711 6489-3430. Spenden sind möglich zum Beispiel auf das Konto Schwäbische Bank, IBAN: DE 81 6002 0100 0000 0023 95, BIC: SCHWDESS
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